Mehr Pflegebedürftige, aber weniger Fachkräfte
07.02.2025
Neue Analyse zur Situation der Pflege in Bremen
Die Versorgungslücken in der Pflege in Bremen werden immer größer – und dürften nur noch sehr schwer zu schließen sein. Das ist das Ergebnis einer neuen Analyse der Arbeitnehmerkammer, die aktuelle Daten für Bremen ausgewertet hat. Trotz steigendem Bedarf an professioneller Pflege ist die Zahl der Fachkräfte dafür im Land Bremen in den letzten zehn Jahren gesunken – seit 2022 zeigt sich ein deutlicher Einbruch. Die Situation für Pflegebedürftige wird sich nach Einschätzung der Arbeitnehmerkammer weiter verschärfen.
Arbeitsbedingungen verbessern
„Damit steigt aber auch die Belastung bei den Pflegekräften“, sagt Elke Heyduck, Geschäftsführerin der Arbeitnehmerkammer. „In den sozialen Berufen könnten wir viele Fachkräfte gewinnen, wenn wir die Arbeitsbedingungen deutlich verbessern. Gerade in Bremen wird in der Pflege besonders viel in Teilzeit gearbeitet. Hier liegen Ressourcen, die wir besser nutzen könnten. Aber auch im Bund müssen zügig Verbesserungen für die Pflegenden auf den Weg gebracht werden, die wegen des vorzeitigen Ampel-Aus liegen geblieben sind.“
Nur jede*r dritte Pflegebedürftige wird professionell versorgt
Die Zahl der Pflegebedürftigen hat sich in den vergangenen Jahren mehr als verdoppelt – von etwa 22.600 im Jahr 2013 auf 47.600 im Jahr 2023. Das liegt an der steigenden Zahl älterer Menschen, aber auch daran, dass seit 2017 mehr Menschen Anspruch auf Leistungen aus der Pflegeversicherung haben. Die Zahl derer, die professionell – also von ambulanten Diensten oder stationär in einem Pflegeheim – gepflegt werden, stieg dabei nur von etwa 12.500 auf 14.900.
Angehörige müssen oft Betreuung übernehmen
Zugleich sind in Bremen mehrere hundert Heimplätze nicht belegt, weil das Personal für die Betreuung fehlt. In immer mehr Familien müssen deswegen Angehörige die Pflege übernehmen, meist sind es Frauen. „Wenn die professionelle pflegerische Unterstützung fehlt, werden mehr Beschäftigte aus dem Beruf aussteigen oder Arbeitszeiten reduzieren müssen – und die fehlen dann auch als Fachkräfte in anderen Branchen“, unterstreicht ElkeHeyduck die Wichtigkeit der Pflegebranche für alle anderen Branchen.
Rückgang an Pflegefachkräften in Bremen bedenklich
Etwa 12.500 sozialversicherungspflichtige Pflegekräfte arbeiten im Land Bremen. Davon sind rund zwei Drittel Fachkräfte – und nur etwa jede*r Fünfte männlich. Seit 2013 ist die Zahl der Pflegekräfte in Bremen nur um neun Prozent gestiegen – bundesweit waren es 25 Prozent. Besonders bedenklich ist der Rückgang, der seit 2022 in Bremen zu beobachten ist.
Viele Beschäftigte arbeiten in Teilzeit
Zugleich ist der Anteil der Teilzeitbeschäftigten kontinuierlich hoch. Nur jede vierte Hilfskraft, aber fast jede zweite Fachkraft in der Pflege ist in Vollzeit beschäftigt. Hier könnte viel Arbeitskraft gewonnen werden: Allein in Bremen könnten 1.500 zusätzliche Vollzeit-Fachkräfte mit Berufserfahrung zur Verfügung stehen, wenn Pflegekräfte, die ihren Job gewechselt haben zurückzukehren und solche in Teilzeit mehr arbeiten.
Hohe Anforderungen, viel Stress
Gerade in der Pflege sind die Arbeitsbedingungen oft besonders herausfordernd: Beschäftigte arbeiten meist im Schichtdienst und auch an Wochenenden, ein großer Teil regelmäßig nachts. Sie müssen überdurchschnittlich häufig unter Zeitdruck pflegen und Überstunden machen. Gleichzeitig sind die körperlichen wie psychischen Anforderungen hoch: Mehr als die Hälfte geht davon aus, dass sie ihren Job nicht bis zum Rentenalter wird ausüben können, wie die Beschäftigtenbefragung der Arbeitnehmerkammer zeigt.
Ziel: Bedingungen verbessern, Pflegekräfte halten
„Wir müssen die Pflegekräfte halten und für bessere Arbeitsbedingungen sorgen“, so Heyduck. Dabei kommt es auf bedarfsgerechte Personalausstattung, verlässliche Arbeitszeiten, wertschätzende Führung, gestärkte Kollegialität und eine bessere Entlohnung an. Das hat die Arbeitnehmerkammer mit ihrer Studie „Ich pflege wieder, wenn…“ gezeigt.
Schon heute stehen viele Beschäftigte kurz vor der Rente: Etwa 30 Prozent der Pflegekräfte sind 55 Jahre oder älter. Es kommen aber deutlich weniger junge Pflegekräfte nach. Die Fachkräfte werden in den nächsten Jahren also kaum zu ersetzen sein, und in Bremen ist hier der Anteil der Beschäftigten, die älter als 50 sind, bundesweit am höchsten.
Immer mehr Hilfskräfte in der Pflege
Der Beschäftigungszuwachs in der Pflege ist gering und beruht zudem allein auf mehr Hilfskräften. War 2013 nur jede*r fünfte Pflegebeschäftigte eine Hilfskraft, ist es zehn Jahre später schon fast jede*r dritte. In der gleichen Zeit ist die Zahl der Fachkräfte sogar um sieben Prozent gesunken, während sie bundesweit um 18 Prozent gestiegen ist.
Die Pflege wird also immer seltener von dreijährig ausgebildeten Fachkräften übernommen. „Wenn zukünftig mehr Hilfskräfte für Verbesserungen sorgen sollen, dann müssen diese auch gut ausgebildet sein. Anders sind Belastungen für die Fachkräfte nicht zu senken“, sagt Elke Heyduck.
Bremen bildet zu wenig aus
Pro Jahr müssten in Bremen etwa 530 Pflegefachkräfte erfolgreich ausgebildet werden, um den Status quo zu halten, wenn der zukünftige Fachkräftebedarf durch hier Ausgebildete gedeckt werden soll. Erfolgreich beendet haben im ersten Jahr der neuen generalistischen Pflegeausbildung aber nur 316 Personen. Gestiegen ist dabei der Anteil von Auszubildenden mit ausländischer Staatsbürgerschaft – zwischen 2013 und 2023 von knapp acht auf 26 Prozent.
Die Forderungen der Arbeitnehmerkammer
- Eine auskömmliche Finanzierung ist die Voraussetzung für eine nachhaltige Verbesserung der Situation in der Pflege. Hierfür ist eine solidarische Pflege- und Gesundheitsversicherung auf Bundesebene genauso wichtig wie eine stärkere Beteiligung des Landes an den Investitionskosten von Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern.
- Bundesweite Vorgaben für die Personalbemessung in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen müssen dringend eingeführt und zügig umgesetzt werden. Die Instrumente liegen bereits vor, die gesetzliche und praktische Umsetzung dauert aber viel zu lange.
- Rahmenbedingungen der Ausbildung müssen weiter verbessert werden, zum Beispiel durch verbesserte Sprachförderung, psychosoziale Unterstützung und Lernförderung – und vor allem auch die Sicherstellung der Praxisanleitung in den Betrieben.
- Damit steigende Personalkosten in Pflegeheimen nicht zu steigenden finanziellen Belastungen für Pflegebedürftige führen, sollte die Pflegeversicherung zu einer Vollversicherung weiterentwickelt und es sollten zunächst die Eigenanteile gedeckelt und begrenzt werden.
- Die Pflegehilfe-/Pflegeassistenzausbildung muss aufgewertet werden: Der vorliegende Gesetzentwurf für eine bundeseinheitliche, 18-monatige Pflegeassistenzausbildung wurde nicht verabschiedet. Pflegehilfe-/Pflegeassistenzkräfte werden immer häufiger in der Pflege eingesetzt. Die Landesregierung ist gefordert, eine hochwertige und durchlässige Ausbildung zur Pflegeassistenzkraft zu etablieren und sich im Bund für eine einheitliche Regelung einzusetzen: Mindestens 18, besser 24 Monate sollten der bundesweite Standard sein.
Das KammerKompakt „Pflege in Bremen – Versorgungslücken sind kaum zu schließen“ finden Sie hier zum Download: www.arbeitnehmerkammer.de/downloads
Quelle: Arbeitnehmerkammer Bremen, „Mehr Pflegebedürftige, aber weniger Fachkräfte – Neue Analyse zur Situation der Pflege in Bremen, Pressemitteilung, 06.02.2025