„Schulbus“-Studie: Weniger Drogen, mehr Gaming
03.11.2025
Jugendliche zu Umgang mit Suchtmitteln und Freizeitverhalten befragt
Jugendliche im Land Bremen konsumieren weniger Drogen als vor drei Jahren, verbringen aber mehr Zeit mit Gaming, Glücksspiel, Instagram, TikTok und Co. Das sind die Ergebnisse der neuen „Schulbus“-Studie. Zu ihrem Konsum von Suchtmitteln, dem Umgang mit Glücksspiel- und Internetangeboten, zur selbstkritischen Körperwahrnehmung und der Einschätzung ihrer Lebenssituation wurden von Herbst 2024 bis Frühjahr 2025 insgesamt 1.317 Jugendliche zwischen 14 und 17 Jahren in Bremen und Bremerhaven befragt.
Repräsentative Untersuchung befragt Schüler:innen und Lehrkräfte
Die repräsentative „Schulbus“-Untersuchung (Schüler*innen- und Lehrkräftebefragung zum Umgang mit Suchtmitteln) wird alle drei Jahre von der Sucht.Hamburg gGmbH durchgeführt, unter Federführung der Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz. Der Senator für Kinder und Bildung und die Senatorin für Arbeit, Soziales, Jugend und Integration beteiligen sich an der Finanzierung. Parallel finden auch Erhebungen in Hamburg statt. Im Schuljahr 2024/25 haben in Bremen 544 weibliche und 561 männliche Jugendliche teilgenommen, in Bremerhaven 160 weibliche und 106 männliche Jugendliche.
Ergebnisse der Studie vorgestellt
Zur Vorstellung der Ergebnisse sagte Claudia Bernhard, Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz: „Die ‚Schulbus‘-Studie liefert ein detailliertes Bild über den Umgang mit Suchtmitteln, und sie zeigt Veränderungsprozesse bei allen möglichen Einflüssen auf, ob es das Glücksspiel, den Medienkonsum oder das Vorliegen einer möglichen Essstörung betrifft. Deshalb geben die Ergebnisse wichtige Hinweise und Empfehlungen, wie präventive und beratende Angebote effektiver gestaltet oder angepasst werden müssen.“
Mehr Beratung, mehr Jugendschutz
„Ausbauen müssen wir die digitale und damit niedrigschwellige Suchtberatung für Minderjährige. Der Zugang zu Alkohol, Tabak, E-Zigaretten, Glücksspiel muss eingeschränkt werden. Aber vor allem brauchen wir für den Jugendschutz im Bereich von Social Media ausreichend Zeit und Raum für die Auseinandersetzung in Bezug auf die gesamten Lebenswelten der Jugendlichen“, sagt die Senatorin Claudia Bernhard.
Alarmierend: übermäßiger Medienkonsum
Dazu Mark Rackles, Senator für Kinder und Bildung: „Wir wollen, dass unsere Schülerinnen und Schüler gesund und sicher aufwachsen. Auch wenn Alkohol- und Cannabiskonsum sinken, zeigt die ‚Schulbus‘-Studie: Schule, aber auch Eltern, müssen genauer hinschauen. Alarmierend ist der übermäßige Medienkonsum. Medienkompetenzbildung muss sich künftig noch stärker an psychischen Gesundheitsproblemen orientieren. Ernst nehmen wir auch die Zunahme des Konsums von Schmerzmitteln zwecks Leistungssteigerung. Wir werden unsere Lehrkräfte gezielt schulen und Präventionsangebote so ausbauen, sodass wir Warnsignale früh erkennen und schnell handeln können.“
„Erfolgreiche Suchtprävention ist Marathon, keine Kurzstrecke“
Studienleiter Theo Baumgärtner von Sucht.Hamburg betonte: „Erfolgreiche Suchtprävention ist Marathon, keine Kurzstrecke. Aber die Ausdauer zahlt sich aus: Der kontinuierliche Rückgang des Suchtmittelkonsums bei Jugendlichen ist ein deutliches Zeichen für die Wirksamkeit einer sachlichen, ideologiefreien Präventionsarbeit. Entscheidend ist eine Aufklärung, die auf glaubwürdige, fundierte Informationen setzt – gerade weil junge Menschen besonders sensibel auf Widersprüche reagieren und nachvollziehbare Argumente erwarten.“
Kombination aus Maßnahmen notwendig
„Ebenso sind klare gesellschaftliche Rahmenbedingungen nötig, wie die Einschränkung der Verfügbarkeit von Suchtmitteln, spürbare Preisanpassungen, ein erweitertes Werbeverbot sowie der Ausbau von Konsumbeschränkungen im öffentlichen Raum. Diese Kombination aus Aufklärung und strukturellen Maßnahmen hat sich als sehr wirksam erwiesen und sollte auch zukünftig Grundlage der Präventionspolitik bleiben“, ergänzt Theo Baumgärtner.
… in die Lebenswelt von Schüler:innen hineinwirken
Dr. Oliver Peters, Leitung des Referats Gesundheit und Suchtprävention am Landesinstitut für Schule (LIS), hob hervor: „Die ‚Schulbus‘-Studie liefert wertvolle Impulse, um Präventionsangebote im Land Bremen passgenau auf die vielfältigen gesundheitlichen Risiken junger Menschen auszurichten. Besonders die Verfügbarkeit und der Konsum Neuer Psychoaktiver Substanzen (NPS) stellen derzeit eine zentrale Herausforderung dar und müssen verstärkt in den Fokus präventiver Maßnahmen rücken. Dank der engen Anbindung an die Schulen kann die der Landesstelle für Suchtprävention unmittelbar in die Lebenswelt von Schüler:innen hineinwirken – frühzeitig, wirksam und lebensweltorientiert.“
Ergebnisse der „Schulbus“-Untersuchung 2024/25
Suchtmittel und Medikamente
Weniger Jugendliche konsumieren Alkohol, Zigaretten und illegale Drogen und Cannabis. Die umgesetzte Teillegalisierung scheint keine negativen Effekte auf den Konsum von Schülerinnen und Schülern zu haben. Jedoch steigt der Gebrauch von Verdampfern und Einweg-Vapes und von teilweise darüber konsumierten Neuen Psychoaktiven Substanzen (NPS) wie synthetische Cannabinoide und synthetische Opioide. Ein ansteigender Trend zeigt sich auch bei der Einnahme von Schmerzmitteln.
- 50 Prozent der befragten Bremer Jugendlichen gaben 2024/25 an, noch nie Alkohol konsumiert zu haben (2005: 12 Prozent), in Bremerhaven waren es 37 Prozent (2016: 35 Prozent).
- 79 Prozent der Bremer und 78 Prozent der Bremerhavener Jugendlichen gaben an, noch nie eine Zigarette geraucht zu haben (2016: 62 beziehungsweise 55 Prozent).
- 95 Prozent der Bremer und 94 Prozent der Bremerhavener Jugendlichen konsumieren keine illegalen Drogen.
- 90 Prozent der Bremer und 88 Prozent der Bremerhavener Jugendlichen konsumieren kein Cannabis (2005: 62 bzw. 76 Prozent).
- 12 Prozent der Bremer und 16 der Bremerhavener Jugendlichen benutzen regelmäßig Verdampfer und Einweg-Vapes, 3 Prozent der Bremer und 4 Prozent der Bremerhavener Jugendlichen konsumieren darüber NPS. Die gesundheitlichen Risiken sind im Einzelfall sehr hoch.
- 89 Prozent der Bremer und 90 Prozent der Bremerhavener Jugendlichen gaben an, bereits Schmerzmittel eingenommen zu haben (2021: 65 bzw. 67 Prozent).
Suchgefährdendes Verhalten
Die Probleme im Kontext der freizeitorientierten Nutzung der verschiedenen Internetanwendungen verschärfen sich. Es gibt eine leichte Zunahme beim Gaming- und Glücksspielverhalten und einen starken Anstieg bei der problematischen Nutzung von Sozialen Medien, Streamingdiensten und Online-Spielen. Auch die selbstkritische Körperwahrnehmung ist unter Jugendlichen weiterhin stark verbreitet, die die Entwicklung eines problematischen Essverhaltens begünstigt.
- 28 Prozent der Bremer und 37 Prozent der Bremerhavener Jugendlichen gaben an, mindestens einmal täglich ein Computerspiel zu spielen. Zudem ist der Anteil von Jugendlichen, die als „mindestens suchtgefährdete“ PC-Spiele-Nutzer:innen gelten, signifikant auf 8 Prozent in Bremen und 6 Prozent in Bremerhaven gestiegen (2021: 6 bzw. 5 Prozent).
- 10 Prozent der Bremer und der Bremerhavener Jugendliche nehmen regelmäßig an Glücksspielen um Geld teil, obwohl ihnen der Zugang gesetzlich verwehrt ist. Dabei fällt der Anteil der männlichen Befragten mit 13 Prozent doppelt so hoch aus wie unter den weiblichen Befragten.
- Zwar hat die Dauer der durchschnittlichen freizeit-orientierten Internetnutzung mit durchschnittlich 5,2 Stunden (2021: 5,3) leicht abgenommen, dafür zeigen aber 24 Prozent der Bremer und 20 Prozent der Bremerhavener Jugendlichen einen problematischen Umgang mit Social-Media-Angeboten (2021: 20 bzw. 17 Prozent), insbesondere Mädchen (Bremen: 31 Prozent, Bremerhaven 29 Prozent).
- 43 Prozent der Bremen und 41 Prozent der Bremerhavener Jugendlichen gaben an, mindestens monatlich bis täglich unter Stimmungsschwankungen aufgrund des eigenen Körpergewichts zu leiden (2016: 30 bzw. 36 Prozent).
- Nach den Kriterien der Sick-Control-One-Fat-Skala liegt der Verdacht eines möglichen Vorliegens einer Essstörung bei 38 Prozent der Bremer und 36 Prozent der Bremerhavener Jugendlichen vor (2021: 30 bzw. 31 Prozent), besonders betroffen sind weibliche Jugendliche (54 bzw. 55 Prozent).
Lebensalltag
Als häufigste Freizeitaktivität gaben die befragten Jugendlichen das Surfen im Internet an. Männliche Jugendliche verbringen vergleichsweise viel Zeit mit Computerspielen und Sport, bei weiblichen Jugendlichen sind das Bücherlesen und kreative Hobbys beliebter. Abgenommen hat die Häufigkeit von Verabredungen mit Freundinnen und Freunden, auch werden weniger Freundinnen und Freunde ins Vertrauen gezogen als noch 2021.
Die allgemeine Lebenszufriedenheit der Jugendlichen steigt tendenziell wieder an. Weibliche Jugendliche beschreiben sich im Vergleich zu den männlichen Befragten als weniger zufrieden, insbesondere bei der Frage nach der Zufriedenheit mit der eigenen Person. Durchgängig und unabhängig von Befragungszeitraum oder -region wird für Mädchen und junge Frauen eine äußerst selbstkritische Haltung ermittelt.
Die „Schulbus“-Studie ist über die Website der Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz abrufbar: www.gesundheit.bremen.de
Präventionsmaßnahmen und Angebote der Suchthilfe
Kipsy
Die Kinder- und Jugendpsychiatrische Beratungsstelle und Institutsambulanz (Kipsy) im Gesundheitsamt Bremen bietet Beratung und Unterstützung für Kinder und Jugendliche bei allen kinder- und jugendpsychiatrischen Krankheitsbildern sowie Essstörungen. Mehr Informationen unter: www.gesundheitsamt.bremen.de
Escape – Ambulanz für junge Menschen mit Suchtproblemen
Escape ist ein zusätzliches Beratungs- und Unterstützungsangebot von Kipsy für Suchtmittel missbrauchende Jugendliche und für junge Menschen mit Substanz ungebundenen Verhaltensauffälligkeiten. Das Angebot richtet sich auch an Eltern und Einrichtungen, deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Jugendlichen arbeiten. Weitere Informationen unter: www.psychnavi-bremen.de
Ambulante Suchthilfe Bremen – Fachstelle Medienabhängigkeit
Die Fachstelle Medienabhängigkeit bietet suchtgefährdeten oder abhängigkeitskranken Erwachsenen und Jugendlichen Unterstützung. Mehr zu dem Thema unter: ash-bremen.de
Projekt „Gesunder Umgang mit Medien im Kindes- und Jugendalter“
Ziel des Projekts ist die Förderung von Medienkompetenz von Kindern, Jugendlichen und Eltern. Mehr zu dem Thema unter: www.gesundheit-nds-hb.de
Landesinstitut für Schule (LIS)
Die Webseite der Suchtprävention des LIS gibt Auskunft über Maßnahmen und Angebote für Schulen und Fortbildungen für Lehrerinnen und Lehrer zum Thema substanzgebundene und nichtsubstanzgebundene Süchte sowie Präventionskonzepte. Darunter sind unter anderem Angebote, Projekte, Fortbildungen und Arbeitskreise zu den Themen Suchtmittel, Rauchen, Medikamente, Alkohol, Essstörungen und Medien. Mehr zu dem Thema unter: www.lis.bremen.de
Quelle: Senatspressestelle der Freien Hansestadt Bremen, Die Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz / Die Senator für Kinder und Bildung, Pressemitteilung, 03.11.2025