Die Armut in Bremen steigt – vor allem bei Familien und Älteren

03.03.2025

Die Armut im Land Bremen wächst – und zwar vor allem bei Familien und Älteren. Das zeigt das aktuelle „KammerKompakt“ der Arbeitnehmerkammer anlässlich der Bremer Armutskonferenz am 3. März 2025. Demnach wachsen zwei von fünf Kindern und Jugendlichen in einkommensarmen Familien auf.

Jede*r Vierte über 65 Jahren gilt als arm

Seit dem Ende der Corona-Pandemie steigt zudem Jahr für Jahr die Altersarmut – mittlerweile gilt in Bremen jede*r Vierte über 65 Jahren als arm. „Die nächste Bundesregierung ist gefordert, die Renten zu stabilisieren und Familien stärker zu entlasten. Und vor allem muss sie mehr für die Aus- und Weiterbildung tun, denn nur gut qualifizierte Beschäftigte haben die Chance auf gut bezahlte Arbeitsplätze und eine gute Rente“, betont PeerRosenthal, Hauptgeschäftsführer der Arbeitnehmerkammer.

Einkommensarmut: 198.000 Menschen sind betroffen

Wer in einem Haushalt lebt, der mit weniger als 60 Prozent des durchschnittlichen Einkommens auskommen muss, gilt als einkommensarm. Die Armutsgrenze lag 2023 bei 1.247 Euro netto für einen Ein-Personen-Haushalt. Im Land Bremen galten 198.000 Menschen in diesem Sinne als arm – das ist mehr als jede*r Vierte.

Im Bundesvergleich am höchsten

Zwar hat Bremen als starker Industriestandort in vielen Bereichen gute, tariflich abgesicherte Löhne – im Hafen, der Automobilwirtschaft oder der Luft- und Raumfahrt. Auf der anderen Seite arbeiten jedoch viele Menschen zu geringen Löhnen in Dienstleistungsberufen wie etwa dem Reinigungs- oder Gastgewerbe.

Die Verbreitung von Einkommensarmut ist in Bremen und Bremerhaven im Bundesvergleich am höchsten. Ähnlich stark betroffen sind lediglich einige Ruhrgebietsstädte wie Duisburg, Dortmund und Essen.

Sozialleistungen: Jede*r Fünfte im Land Bremen erhält sie

Menschen werden auch als arm bezeichnet, wenn sie Sozialleistungen zur Sicherung ihres Lebens brauchen, wie etwa Bürgergeld oder Asylbewerberleistungen. Mehr als jede*r Fünfte im Stadtstaat bekam 2023 Sozialleistungen, das waren 121.448 Menschen im Land Bremen. Gestiegen ist insbesondere die Zahl der Älteren, die staatliche Unterstützung benötigen.

Vor allem Ältere benötigen staatliche Unterstützung

Dazu zählen jene, deren Renten unter dem Existenzminimum liegen und Menschen, die aufgrund von Krankheiten erwerbsgemindert sind. Bei den Sozialleistungen haben die Asylbewerberleistungen den kleinsten Anteil: 2023 haben 5.820 Geflüchtete aus Kriegs- und Krisengebieten diese Leistungen erhalten – zum Vergleich: 2015/2016 waren es mehr als 11.000 Menschen.

Bürgergeld: Die wenigsten Empfänger*innen sind arbeitslos

Ende 2023 bezogen 53.237 Menschen in der Stadt Bremen (14.096 in Bremerhaven) Bürgergeld – besonders viele von ihnen leben in Blumenthal, Vegesack und Huchting sowie in der Vahr. Dort ist etwa jede*r Fünfte auf Bürgergeld angewiesen, in Gröpelingen ist es sogar jede*r Vierte. Gestiegen ist die Zahl der Betroffenen in Mitte, in Obervieland, der Neustadt, Walle, Hemelingen und Horn-Lehe, leicht rückläufig ist sie in Osterholz. Für Bremerhaven liegen keine Zahlen auf Stadtteilebene vor.

Erst anerkannte Geflüchtete erhalten Bürgergeld

Gerade in den so genannten Ankunftsquartieren in der Stadt Bremen ist die Armut weiter auf hohem Niveau – dort leben viele neu Zugezogene, insbesondere aus Kriegs- und Krisenregionen. Asylbewerber*innen haben übrigens erst dann Anspruch auf Bürgergeld, wenn sie als Geflüchtete anerkannt sind.

Angesichts der aktuellen Debatten um die Kosten für das Bürgergeld weist die Arbeitnehmerkammer darauf hin, dass der größere Teil der Empfänger*innen erwerbstätig ist oder dem Arbeitsmarkt aus guten Gründen nicht oder nur eingeschränkt zur Verfügung steht. Viele Menschen, die Bürgergeld erhalten, arbeiten – müssen aber aufgrund eines zu niedrigen Lohns ihr Einkommen mit Bürgergeld aufstocken.

Klimawandel: Vor allem Arme leiden unter den Folgen

Bei der diesjährigen Armutskonferenz geht es erstmals um die Folgen der Klimakrise für die Menschen mit wenig Geld, sie steht unter dem Motto: „Der Armuts- und Klimakrise in Bremen gemeinsam begegnen“. Arme Menschen leiden nicht nur in besonderem Maße unter den steigenden. Lebensmittel- und Energiepreisen sowie hohen Mieten. Sie sind von den Folgen der Klimakrise massiv betroffen: Auch in Bremen leiden besonders jene, die selbst am wenigsten zum Klimawandel beitragen

Ärmere Menschen belasten das Klima geringer

Für Deutschland ist nachgewiesen, dass Menschen aus der ärmeren Hälfte der Bevölkerung das Klima 15-mal weniger belasten als Leute, die zum reichsten ein Prozent gehören. Viele arme Menschen leben in Wohnvierteln mit wenig Grünflächen und schlecht gedämmten Gebäuden, die im Sommer zu heiß und im Winter zu kalt sind und hohe Energiekosten verursachen.

Starke Belastungen durch Hitze betreffen in Bremen vor allem Menschen in Gröpelingen, Oslebshausen, Lüssum, Grohn, Blumenthal, Hemelingen, Hastedt, Kirchhuchting, Neuenland, Tenever, im vorderen Woltmershausen und in der Bahnhofsvorstadt. „Eine sozial sensible und vorausschauende Klimapolitik ist auch ein Beitrag zur Armutsreduzierung“, sagt Rosenthal.

Die Forderungen der Arbeitnehmerkammer

Mindestlohn erhöhen

In Bremen gibt es zahlreiche Niedrigverdienende und viele, die in Teilzeit oder in Minijobs arbeiten. „Würde die Bundesregierung die EU-Mindestlohnrichtlinie umsetzen, wäre vielen Bremerinnen und Bremern geholfen“, sagt Rosenthal. Der Mindestlohn – heute sind das 12,82 Euro – müsste dann 60 Prozent des Medianlohns betragen. Das wären etwa 15 Euro.

Soziale Teilhabe sichern, Quartiere stärken

In den Stadtteilen sichern zahlreiche Projekte und Sozialangebote eine gesellschaftliche Teilhabe, die ebenso wichtig ist wie die materielle. Angesichts der Armut muss diese wichtige soziale Infrastruktur in Bremen und Bremerhaven erhalten und finanziell abgesichert werden.

Materielle Teilhabe sichern

Das Bürgergeld sichert in Deutschland das Existenzminimum. Die letzten Erhöhungen haben lediglich die Inflation ausgeglichen. Die Löhne sind in derselben Zeit stärker gestiegen. „Wer die Höhe des Bürgergeldes zum politischen Zankapfel macht, bekämpft die Armen, aber nicht die Armut“, sagt Rosenthal.

Einführung eines Klimageldes

Die neue Bundesregierung muss zügig ein einfach umsetzbares, pauschales Pro-Kopf-Klimageld einführen. Ab 2027 gilt eine neue CO2-Bepreisung – die Energiepreise werden steigen, was Menschen mit wenig Geld besonders stark belastet. „Als sozialer Ausgleich muss deshalb ein Klimageld eingeführt werden“, sagt Rosenthal.

Das KammerKompakt „Armut steigt bei Familien und Älteren“ (März 2025) finden Sie hier zum Download

Quelle: Arbeitnehmerkammer Bremen, Pressemitteilung, 28.02.2025