Trauernde Kinder und Jugendliche in der Pandemie unterstützen: Tipps für den Ernstfall

© Trauerland – Zentrum für trauernde Kinder und Jugendliche e. V.

Leonie ist 12 Jahre alt. Obwohl sie so jung ist, steht sie vor einem Berg von intensiven Gefühlen. Vor einem Jahr ist ihre Oma gestorben. Leonie fühlt sich oft noch sehr traurig. Das sagt sie aber niemandem in ihrer Familie.

Stattdessen versucht sie, stark zu sein, denn sie hat Sorge, die Familie noch mehr zu belasten. Doch die Trauer bahnt sich ihren Weg: Bauchschmerzen, Schlaflosigkeit, Wut. Leonie ist kein Einzelfall berichtet Beate Alefeld-Gerges, Gründerin von Trauerland.


Belastende Auswirkung der Pandemie auf den Trauerprozess

Viele Kinder und Jugendliche haben, so wie Leonie, ihre Oma verloren, andere die Mutter, den Vater oder ein Geschwisterkind. Sie alle brauchen Raum, um ihre Trauer auszudrücken und verarbeiten zu können – Raum, den der Alltag oft nicht hergibt.

Bereits unter „normalen“ Umständen ist ein Verlust extrem bedrückend. Doch jetzt verstärken die Begleiterscheinungen der Corona-Pandemie die Belastungen, denen Betroffene ausgesetzt sind, zusätzlich.

Wir beobachten seit etwa einem Jahr, dass die Kinder in unseren Trauergruppen mehr Schwere und Ängstlichkeit mit sich tragen. Was kein Wunder ist: Durch den Todesfall im nahen Umfeld haben sie ein Stück Urvertrauern verloren, die Pandemie verstärkt Verunsicherung und Gefühle von Kontrollverlust weiter.

Mit der dramatischen Veränderung der Lebenssituation gerät die gesamte Lebenswelt des Kindes ins Wanken. Zu den Folgen zählen emotionale, soziale und häufig auch ökonomische Belastungen.


Was macht die zusätzliche Belastung mit trauernden Jugendlichen?

Bei den Jugendlichen zeigt sich ein stärkeres Rückzugsverhalten. Wer bereits vor der Pandemie mehrfach belastet war und weniger Ressourcen hatte, ist nun noch weiter zurückgefallen, wie es die COPSY-Studie (Corona und Psyche), Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (2021) benennt.

Viele teilen sich noch weniger mit als zuvor. Die Strategie, „cool“ zu bleiben, soll vor der Überschwemmung allzu starker Gefühle schützen. Nicht selten bemerken Angehörige dies gar nicht. Sie sind selbst stark belastet und stehen vor dem Kraftakt, ihre eigene Trauer, die Versorgung der Familie sowie in den vergangenen Monaten häufig auch noch Homeschooling und Homeoffice zu balancieren.


Unterstützung aus der Ferne

In den vergangenen Monaten haben wir mit vielen Elternteilen gesprochen, die durch den Tod des Lebenspartners ohnehin schon viele Herausforderungen alleine meistern müssen und immer wieder ihre Grenzen spüren. Sie sind selbst in Trauer, haben durch die enormen Alltagsbelastungen aber kaum Raum dafür.

Als wir unsere Gruppenangebote im Frühjahr 2020 im Zuge des ersten Lockdowns vorübergehend einstellen mussten, haben wir im Team intensiv überlegt, wie wir neben unserer telefonischen Beratungstätigkeit trotzdem für die betroffenen Familien da sein können. Das Ergebnis war eine kleine Video-Reihe für Zuhause.

Unter #wirsindda zeigen Mitarbeitende unseres Teams Kindern, Jugendlichen und ihren Angehörigen in kurzen Filmen Möglichkeiten auf, mit angestauten Gefühlen, wie Wut oder Angst umzugehen. Darunter sind auch Übungen, die nicht nur den Trauerweg unterstützen, sondern alle belasteten jungen Menschen stärken. Wir sind fest entschlossen, die Reihe weiterzuführen.

Alle bisherigen Übungen gibt es hier als Playlist.


Jeder Mensch ist Experte für die eigene Trauer

Leonie hat übrigens ihren Trauerweg gefunden. Sie kommt seit einigen Monaten zur Einzelberatung zu Trauerland. Hier konnte sie inzwischen gemeinsam mit einer unserer Pädagoginnen erarbeiten, dass ihre Traurigkeit oft von Wut verdrängt wird und dann nur noch ein kleines brüchiges Stück im Herzen ist.

Sie fand heraus, dass diese Traurigkeit etwas Liebe und Fürsorge gebrauchen könnte. Als Erinnerung hat sie sich ein Glasherz mitgenommen, und möchte in den nächsten Wochen Wege ausprobieren, der Traurigkeit mehr Raum und Liebe zu geben.

Leonies Geschichte zeigt, wie wichtig es ist, dem individuellen Trauerweg Raum zu geben und sich nach einem Verlust auf eigene Art damit auseinanderzusetzen. Der Wunsch, allen trauernden Kinder und Jugendlichen diese Möglichkeit zu bieten, ist das, was uns bei Trauerland antreibt.

Ein Beitrag von Myriam Metry und Silke Boos von Trauerland – Zentrum für trauernde Kinder und Jugendliche e. V.