Noch mehr zuhören, noch mehr miteinander reden

3/7: Heute kommt in unserer BRISE-Serie eine Familie aus Huchting zu Wort. In den letzten beiden Beiträgen ging es um den wissenschaftlichen Hintergrund zu BRISE. Aber was kommt bei den Familien an? Wir haben eine BRISE-Familie in Huchting besucht, die erzählt, worum es bei BRISE geht und wie die Begleitung ihnen im Alltag hilft.

Wir wollen für euch mehr über BRISE erfahren – und haben eine Familie, die bei BRISE mitmacht, besucht. In Huchting treffen wir Mutter Lea* und ihren Sohn Julian* (2,5 Jahre). Auch der große Halbbruder, der neunjährige Milan* ist zuhause, der Vater kommt bald. Die Hündin der Familie begrüßt uns stürmisch an der Tür. Wir sind gespannt, was uns diese Familie über BRISE berichtet. Seit 2019 nimmt sie an BRISE, der Bremer Initiative zur Stärkung frühkindlicher Entwicklung, teil und noch bis 2025 werden sie begleitet.

* Name von der Redaktion geändert

Wie sind Sie auf BRISE aufmerksam geworden?

„Beim Vorgespräch zum Geburtstermin im Krankenhaus Links der Weser lagen BRISE-Flyer aus und da dachte ich mir, das hört sich ganz interessant an. Ich finde es immer spannend, an Studien teilzunehmen – wenn es dann noch um das eigene Kind, seine Entwicklung und die Hintergründe geht, klasse.“

Lea hat dann direkt Kontakt zu BRISE aufgenommen. „Meine Schwangerschaft war schon recht weit vorangeschritten. Dadurch habe ich die ersten Termine leider verpasst.“ Der erste Termin fand vor der Entbindung statt.

Wie erklären Sie anderen Eltern, was BRISE ist?

„Ich würde sagen, man kann es als Erforschen des Kindseins beschreiben. Fragen wie „Was geht in dem kleinen Kind vor?“ oder „Welchen Einfluss habe ich als Elternteil überhaupt auf das Kind?“ Es geht zum Beispiel auch darum, ganz alltägliche Sachen, die man von den eigenen Großeltern oder Eltern vorgelebt bekommen hat, zu betrachten“, erzählt Lea.

Für jeden BRISE-Termin erhält die Familie eine Aufwandsentschädigung. „Die wandert in Julians Spardose, so hat er später was davon.“, freut sich seine Mutter. Außerdem dürfen sie sich bei jedem Termin ein Spielzeug aussuchen und die Räumlichkeiten sind so eingerichtet, dass ihnen jeder Besuch richtig Spaß macht.

Reden Sie mit anderen über BRISE, wenn ja worüber?

Lea hat mit Freundinnen über BRISE gesprochen und alle fanden das Programm sehr interessant. Sie hat ihnen erzählt, dass BRISE bis ins erste Schuljahr hinein läuft und auch, was bei den einzelnen Terminen passiert. „Es wird bei jedem Termin besprochen, was der nächste Schritt ist. Und mittlerweile finden die Termine jährlich statt und die BRISE-Familienbegleiter*innen kommen das eine Mal nach Hause, dann fahren wir mal ins Labor.“

Sie erzählt Freundinnen und Bekannten auch vom umfangreichen Fragebogen, bei dem es um die allgemeine Situation und Themen wie TV-Konsum, Sprachentwicklung und Corona geht.

Gibt es eine BRISE-Erfahrung, an die Sie sich auch in drei Jahren noch erinnern?

„Was uns natürlich sehr geholfen hat, ist, dass wir in den ersten zwei Jahren über BRISE die Unterstützung der Familienhebamme von Pro Kind bekamen. Gerade in den ersten zwölf Wochen, in denen es noch so viele Fragen gibt, hat uns das sehr weitergeholfen und daran werde ich mich immer erinnern.“

Nicht nur die praktische Hilfe und Unterstützung, auch die guten reflektierenden Gespräche, waren für sie sehr hilfreich: „Jedes Mal, wenn die Hebamme hier war, haben wir ein Arbeitsblatt aus dem NEST-Ordner durchgesprochen. „Woher kommt manches?“, „Woran liegt das?“ oder „Wenn ich jetzt das mache, was kann es möglicherweise bei meinem Kind bewirken?“ Auch über die eigene Kindheit hat sie dabei nachgedacht. „Wirklich einmal rundum reflektieren, das bekommt man, glaube ich, sonst nirgendwo so.“

Julian ist ihr erstes Kind, mit ihrem neunjährigen Stiefsohn Milan hat sie diese Phase, zwischen Windeln und ersten Worten, gar nicht erlebt. Der ganzheitliche Blick auf die Familie war deswegen sehr wertvoll, beschreibt Lea. Für den Umgang mit ihrem Stiefsohn in der neuen Situation konnte ihr die Hebamme gute Tipps geben. „Unsere Hebamme hat sich nicht nur um den Kleinen gekümmert, sondern um die ganze Familie.“ „Ich hätte nicht gedacht, dass ich diese Unterstützung brauche, aber es war so gut, dass die Hebamme bei uns war!“

Besonders schön war der Moment, als Julian an seinem 2. Geburtstag mit der Hebamme zu sprechen anfing. Auch ein Test im BRISE-Labor, bei dem ihrem Sohn ein Keks hingelegt und dazu gesagt wurde „Du darfst es nicht nehmen!“, hat sie besonders fasziniert. Mutter Lea kannte diese Art von Test zwar, war aber begeistert, ihren Sohn in solch einer Situation kennenzulernen und zu sehen, wie er wunderbar mitmachte – und den Keks nicht anrührte.

Was würde Ihr Sohn über BRISE sagen, wenn er das ausdrücken könnte?

Lea fragt ihren Sohn, ob er sich noch an die Hebamme erinnert. Julian ruft freudig „Die kommt gleich?!“ Alle lachen. „Julian fand die Hebamme supertoll“, erzählt Mutter Lea und hat sich immer gefreut, wenn sie da war. „Es war immer ein sehr herzliches Miteinander!“

Stolz zeigt Julian die BRISE-Urkunde von seinem EEG-Termin. Für ihn sind es positive Erinnerungen, weiß seine Mutter. Der Junge zeigt auf ein Foto, auf dem man sogar die vielen Sensoren an seiner Haube erkennen kann.

Gibt es Dinge, die man durch die Erfahrung mit BRISE bei den Kindern anders macht als ohne diese Erfahrung? Verändert sich was am Verhalten?

Lea ist sich ganz sicher: Ja, eine ganze Menge. „Alles, was wir da groß besprochen haben, also zum Beispiel, wenn kleine Kinder bockig werden, dass man auf diese Situationen einfühlsamer eingeht. Es war einfach eine große Hilfestellung im sozialen Miteinander – man hört sich mehr zu, redet mehr. Auch wenn sie noch so klein sind, verstehen sie ja trotzdem fast alles.“

Welche Teile von BRISE gefallen Ihnen am besten – und welche eher nicht?

„Besonders gut bleibt mir die Unterstützung durch die Hebamme im Kopf, also wirklich!“ In der BRISE-Einrichtung gab es außerdem immer genug Zeit, um anzukommen, für meinen Sohn gab es immer etwas zu essen, zu trinken und zum Spielen. „Es war immer alles sehr gut organisiert und die Mitarbeiter*innen nehmen sich genug Zeit. Wenn irgendwas mal nicht klappt an dem Tag, dann ist das auch nicht schlimm“, beschreibt sie den Ablauf. „Da fühlte man sich einfach gut aufgehoben.“

Nur die Fragebögen sieht die Mutter hin und wieder als lästige Übel. „Manchmal denkt man schon, puh, noch `ne Frage, wieder so ähnlich… – aber so sind Fragebögen nun mal“, seufzt sie lachend. „Außerdem habe ich eigentlich jedes Mal irgendwas Neues dazugelernt, das war wertvoll.“

„Und die ganze Situation mit Corona, das haben die alles super gelöst! Mit der Hebamme hatten wir immer Kontakt und dann eben über Video telefoniert, das hat gut geklappt“, erinnert sich Lea.

Glauben Sie, dass es Gründe gibt, BRISE nicht in Anspruch zu nehmen?

Die Hebamme ist in der Regel rund zwei Jahre in den BRISE-Familien, auch mit den Familienbegleiter*innen hat man sehr intensive Gespräche. „Vielleicht ist es für Menschen schwieriger, die niemanden so nah an sich ranlassen möchten. Oder man fühlt sich unwohl, wenn die Personen dann bei einem Zuhause sind.“ Lea kann sich vorstellen, dass das ein Grund sein kann, dass Familien deswegen nicht an BRISE teilnehmen möchten.

Würden Sie anderen Eltern oder schwangeren Freundinnen BRISE weiterempfehlen?

„Habe ich ja schon!“, sagt Lea sofort. Mit warmem Blick auf ihren Sohn ergänzt sie lächelnd „Man kann nie genug über euch lernen.“ Eine Bekannte, mit der sie zusammen bei der gleichen Hebamme war, ist jetzt auch bei BRISE – und erlebte ihre Teilnahme genauso klasse.

Herzlichen Dank für das Gespräch und dass wir euch in Huchting besuchen durften!


Lea* und ihr Sohn leben in Huchting, im Bremer Süden, und nehmen seit 2019 an BRISE teil. Die Familie wird noch bis 2025 begleitet. (* Name von der Redaktion geändert)