Vereinbarkeit von Beruf und Familie in Bremen besonders schwierig
10.08.2023
KammerKompakt: Betreuungslücke in Bremen am größten
Beruf und Familie zu vereinbaren, ist in keinem Bundesland so schwierig wie in Bremen. Zu diesem Schluss kommt die Arbeitnehmerkammer Bremen in ihrem aktuellen KammerKompakt, das anhand von fünf Faktoren die Situation bewertet. Dazu zählt unter anderem die geringe Erwerbsbeteiligung von Frauen und Müttern sowie die große Betreuungslücke. „In keinem anderen Bundesland arbeiten so wenig Frauen und so wenig Mütter. Und nirgends ist die Betreuungslücke so groß. Das muss die Landesregierung in der nächsten Legislaturperiode ressortübergreifend ändern“, fordert Hauptgeschäftsführer Peer Rosenthal.
Geringe Erwerbstätigkeit unter Frauen
Ein Drittel der Bremer und Bremerhavener Frauen sind nicht erwerbstätig. Dieser Rückstand wird noch größer, wenn Kinder zu versorgen sind: Nur etwa die Hälfte der Mütter mit Kindern im Krippen- oder Kitaalter sind in den Arbeitsmarkt integriert. Auch dies ist im Vergleich der Bundesländer der mit Abstand niedrigste Anteil.
Einer der Gründe ist die besonders große Betreuungslücke im Bundesland Bremen. Von den Kindern unter drei Jahren hatten 2022 nur knapp ein Drittel einen Krippenplatz – dabei bräuchte die Hälfte dieser Eltern einen. Bei den Kita-Kindern hatten 88 Prozent einen Betreuungsplatz, obwohl fast alle Eltern mit Kindern in diesem Alter eine Betreuung benötigen.
„Trotz Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz für Kinder ab drei Jahren gibt es nicht genügend Plätze. Das wirkt sich verheerend für die Eltern aus und verbaut vor allem Müttern den Weg in die berufliche und finanzielle Unabhängigkeit“, mahnt Rosenthal.
Zu kurze Betreuungszeiten
Ebenfalls schlecht schneidet die Stadt Bremen beim Blick auf die Betreuungszeiten ab. Die Öffnungsdauer der Krippen und Kitas ist vergleichsweise kurz: knapp über acht Stunden in Bremen. In vergleichbaren Großstädten sind es dagegen rund neun Stunden, in Berlin und Hamburg rund zehn Stunden und in Leipzig und Dresden fast elf Stunden.
Längere Öffnungszeiten bieten den Eltern Spielräume, die sich fast 20 Prozent der erwerbstätigen Eltern wünschen. Wobei lange Öffnungszeiten nicht bedeuten, dass sich die Kinder auch so lange in den Krippen und Kitas aufhalten – sie sorgen nur für eine bessere Betreuung in Randzeiten.
Sonderauswertung: Aufteilung von Sorgearbeit in der Familie
Ein weiterer Faktor ist die Aufteilung von Sorge- und Erwerbsarbeit innerhalb der Familien. Zu den Erwerbsmustern in Bremer Paarfamilien hat nun erstmals die Arbeitnehmerkammer eine Sonderauswertung von Mikrozensus-Daten vorgenommen:
- In nahezu der Hälfte aller Paarfamilien teilen sich Mütter und Väter die Erwerbsarbeit gleichberechtigt. Zum einen gibt es mit rund 40 Prozent eine wachsende Zahl von Paarfamilien, in denen auch die Mütter Vollzeit oder vollzeitnah arbeiten. In weiteren knapp 10 Prozent der Paarfamilien arbeiten beide Elternteile in etwa im selben Umfang in Teilzeit.
- Das klassische Ernährer-Modell mit einem Vater in Vollzeit und einer nicht erwerbstätigen Mutter wird in fast einem Viertel der Familien gelebt.
- Gespalten ist die Entwicklung beim sogenannten Väter-Engagement in den Familien. Zwar verdoppelte sich im Land Bremen der Anteil der Väter, die zumindest für zwei Monate ihre Erwerbstätigkeit unterbrechen und Elterngeld beziehen. Insgesamt trifft dies jedoch lediglich auf jeden dritten Vater zu (36 Prozent). Nur im Saarland ist der Wert noch niedriger.
Engere inhaltliche Verzahnung der Ressorts notwendig
Die Arbeitnehmerkammer sieht vor diesem Hintergrund großen Handlungsbedarf. Neben einer engeren inhaltlichen Verzahnung der Ressorts Arbeit, Soziales, Kinder und Bildung brauche es vor allem mehr Plätze und längere und flexiblere Öffnungszeiten. Ziel müsse sein, innerhalb dieser Legislaturperiode in jedem Stadtteil mindestens zwei Kitas mit ausgeweiteten Öffnungszeiten aufzubauen. Denn jedes fünfte Elternpaar arbeitet in Früh- oder Spätdiensten.
„Gleichzeitig müssen flächendeckend mehr Kindertageseinrichtungen geschaffen werden, mit Fokus auf den Stadtteilen, in denen Eltern geringe Einkommen beziehen“, fordert Rosenthal. Um den tatsächlichen Elternbedarf in den Stadtteilen zu ermitteln, muss wieder eine repräsentative Elternbefragung durchgeführt werden.
Gegen den Fachkräftemangel in den Erziehungsberufen hilft aus Sicht der Arbeitnehmerkammer vor allem eine attraktive Ausbildung, so wie die tariflich bezahlte praxisintegrierte Ausbildung (PiA). Zudem muss die PiA vom Modellprojekt zur Regelausbildung auch an den öffentlichen Fachschulen werden. „Mit mehr ausgebildeten Fachkräften und verbindlichen Weiterbildungen in den Einrichtungen lässt sich im Land Bremen die Betreuungssituation verbessern – ohne auf Dauer Abstriche bei den Qualifikationen zu machen“, so Rosenthal.
Das gesamte KammerKompakt finden Sie hier online
Quelle: Arbeitnehmerkammer Bremen, Pressemitteilung, 10.08.2023